“Die Natur der Krankheiten, die den Kern der Urologie bilden, erfordert klinische Beobachtung und Behandlung”

Alexander von Lichtenberg, 1928

Alexander von Lichtenberg wurde am 20. Januar 1880 als Sohn eines angesehenen und politisch aktiven Ohrenarztes in Budapest geboren. Nach dem Medizinstudium begann Alexander von Lichtenberg seine ärztliche Tätigkeit an der chirurgischen Universitätsklinik in Heidelberg, wo er seine schon während des Studiums begonnenen anatomischen und histologischen Studien mit Unterstützung seines Budapester Lehrers fortsetzen konnte.

1908 wechselte er an die damalige Kaiser Wilhelm Universität in Straßburg und habilitierte sich dort 1910 unter Otto Madelung. Seine öffentliche Antrittsvorlesung befasste sich bereits mit einem urologischen Thema: "Neuere Methoden der Nierendiganostik".

Bis zum Beginn des 1 Weltkriegs arbeitet er an der medizinischen Fakultät in Straßburg - unterbrochen von einem halbjährlichen Dienst als chirurgischer Chefarzt der Allgemeinen Poliklinik in Budapest - kann aber nach der Eingliederung von Elsass Lothringen an Frankreich nach Beendigung des 1. Weltkrieges trotz Fürsprache Otto Madelungs dort nicht mehr arbeiten. Auch während seiner Tätigkeit als leitender Chirurg eines Krankenhauses in der Tschechoslowakei fühlte von Lichtenberg sich stets der Deutschen Medizin und der Deutschen Hochschule verbunden.

1920 übersiedelte er mit seiner Frau - Tochter eines jüdischen Bankdirektors aus Wien - nach Berlin und beginnt dort als praktischer Orthopäde zu arbeiten. In seiner unmittelbaren Nachbarschaft lebte Albert Freudenberg, der als Spezialarzt für Harnleiden eine Privatklinik führte. So begann während dieser Zeit die "urologische Karriere" Alexander von Lichtenbergs.

In den Jahren 1920 bis 1936 machte er sich in Berlin als "ausgewiesener urologischer Forscher" einen Namen und baute ab 1922 als beratender Urologe im St. Hedwig Krankenhaus eine urologische Abteilung auf, die Anfang der 30-iger Jahre bereits über 250 Betten verfügte. Seine wissenschaftliche Reputation nahm in diesen Jahren einen ungeheuren Aufschwung und gipfelte 1929 in der internationalen Anerkennung der Ausscheidungsurographie als wesentlicher Fortschritt in der urologischen Diagnostik.

Obwohl die politische Situation in Deutschland für von Lichtenberg und seine jüdische Familie immer unerträglicher wurde, waren seine publizistische Tätigkeit und seine internationale Anerkennung als Urologe in diesen Jahren erstaunlich groß. Er vertrat die Deutsche Urologie in zahlreichen Ländern, Vortragsreisen führten ihn in die USA, nach Südamerika und ganz Europa und er wurde Ehrenmitgleid zahlreicher urologischer Gesellschaften.

Dennoch musste er 1936 dem politischen Druck nachgeben und emigrierte mit seiner Familie nach Budapest. Dort hatte er zunächst als weltberühmter Urologe mit einer Privatpraxis großen Erfolg. Aber die politische Situation in Deutschland hatte auch in vielen Ländern Europas eine Diffamierung und Isolierung der Juden zur Folge.

Deshalb übersiedelte Alexander von Lichtenberg mit seiner Familie 1939 nach Mexiko, wo ihm von dem damaligen mexikanischen Gesundheitsminister - einer seiner ehemaligen Schüler aus Berlin - eine akademische Position in Aussicht gestellt wurde. Aber Alexander von Lichtenberg musste auch in Mexiko mit dem Stigma des Emigranten leben und konnte dort seine wissenschaftlichen Arbeiten nicht weiter fortführen.

Am 21. April 1949 starb Alexander von Lichtenberg in Mexiko an den Folgen einer abdominellen Erkrankung.

Quelle: Rathert P, Rathert I, Alexander von Lichtenberg (1880-1949): Legitimation der Urologie durch klinische Forschung, 2001